In Kapuas Hulu sind die meisten Haeusser auf Stelzen gebaut. Dies schuetzt u.a. vor ungewollten Gaesten wie Schlangen und anderem Getier. Bei den traditionellen Langhaeusern ist dies oft noch ein Relikt aus einer weniger friedlichen Zeit, wo noch Kopfjagd stattfand und ein sehr hohes, auf Stelzen gebautes Langhaus, Schutz vor Angriffen und naechtlichen Speerattacken bot. Vor gar nicht so langer Zeit, wissen die Alten noch aus eigenen Erfahrugen zu berichten, bestand immer die Gefahr waehrend des Schlafs von einem Speer von unten durchbohrt zu werden. Der Hauptgrund, die Haeuser in Kapuas Hulu auf Stelzen zu errichten ist aber zweifelsohne die staendige Gefahr von Hochwasser.
Alle Siedlungen in Kapuas Hulu waren urspruenglich an Flusslaeufen angelegt, da dies die einzigen “verlaesslichen” Transportwege waren. Hinzu kommt, dass ein grosser Teil von Kapuas Hulu ein geologisches Becken, umgeben von maechtigen Bergketten, ist. Dies, verbunden mit Niederschlaegen von 5000mm und mehr pro Jahr setzt viele Siedlungen einer staendigen Bedrohung durch Hochwasser aus.
Auch die Stadt Putussibau macht da keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil. Putussibau liegt am Zusammenfluss der drei grossen Fluesse Sibau, Mendalam und Kapuas, die sich hier vom Mueller-Schwaner-Gebirge kommend, zum grossen Kapuas, dem laengsten Fluss Indonesiens, vereinigen. Obwohl das Einzungsgebiet dieser Fluesse noch groesstenteils von intaktem Regenwald bedeckt ist, wird Putussibau regelmaessig ueberflutet. Wenn es in mehreren der Flusseinzugsgebiete heftig regnet dann schwillt der vereinigte Kapuas deutlich an und tritt ueber seine Ufer. I.d.R. ist dies kein Problem, da man beim Bau der Haueser entwender auf hohe Stelzen Wert gelegt hat, oder man das Haus gleich auf einer Flosskonstruktion errichtet hat. Man bekommt dann zwar nasse Fuesse wenn man auf die Strasse geht, mehr als eine Unanehmlichkeit ist dies aber nicht. Manchmal kommt es jedoch auch zu extremem Hochwasser, wo selbst die hohen Stelzen dass Wasser nicht mehr vorm Eindringen in das Haus schuetzen koennen. Bisher waren traten diese Fluten immer der Regenzeit (v.a. am Ende dieser) auf. Das letzte grosse Hochwasser war im April 2007. So war es, solange sich Menschen hier an Hochwasser erinnern koennen – bis vorgestern. Obwohl im Moment eigentlich Trockenzeit sein sollte, regnet es diese Jahr unentwegt. Und von Sonntag bis Montag (22.8.-23.8.2010) hat sich der Himmel im Wassereinzugsgebiet der Kapuas-Zufluesse ausgeschuettet. Relativ schnell stieg dann der Pegel des Kapuas bis dieser am Vormittag des 23.8. seinen Hoehepunkt erreicht hatte. Zu diesem Zeitpunkt stand etwa die Haelfte von Putussibau unter Wasser. Zum Glueck kam ich mit meinem Fahrrad, wenn auch Streckenweise bis zur Huefte eingetaucht, noch ueber die Hauptstrasse in die Stadt um mir das Klein-Venedig von Kapuas Hulu ansehen zu koennen.
Ueberall stand das Wasser in den Strassen, welche statt von knatterndern Mopets und Autos nun von Schlauchbooten, Motorbooten, halbversunkenen im Wasser watenden Menschen sowie von Kindern und Teenagern mit und ohne Schwimmhilfen geteilt wurden.
Ich hatte das Glueck, einen Fussball-Kollegen der bei der Polizei arbeitet zu treffen. Mit dessen Boot sind wir dann durch die Wasserwelt von Putussibau gefahren.
Die Menschen waren aber in keinster Weise von der Flut geschockt. Man hat sich anscheinend an die Ueberflutungen gewoehnt und wenn eben Flut ist, dann ist eben Flut und man kann nichts dagegen tun. Manche machen den Klimawandel verantwortlich, andere den illegalen Goldabbau im Oberlauf sowie die Ufererosion welche Sedimentation im Flussbett verursacht und damit die Veringerung des Flussquerschnitts/Ablaufs bewirkt. Fuer die meisten ist dies aber nur ein weiteres Hochwasser und man macht sich wenig Gedanken ueber dessen Ursachen. Und mit Sicherheit spielt die flutexponierte Lage von Putussibau am Zusammenfluss von drei grossen Stroemen sowie das flache Terrain eine wichtige Rolle.
Fuer viele, besonders die Kinder und Teenager ist das Hochwasser sogar eine willkommene Abwechslung. Die Schulen (wie auch fast alle Bueros etc.) bleiben geschlossen und es hat den Anschein, dass alle jungen Menschen von Putussibau die gefluteten Strassen als grosses Schwimmbad oder Badezimmer betrachten.
Ich bin zwar auch bis auf Brusthoehe durch die Fluten gelaufen, den Badespass konnte ich aber beim Anblick des Muells, der ueberall schwamm, nicht teilen. Putussibau hat, wie alle Staedte Indonesiens, ein ernstes Muell-Problem. Es gibt keine allgemeine geregelte Muellabfuhr. Meist wird der Muell einfach hinterm Haus verbrannt oder er wir einfach irgendwohin geworfen. Hinzu kommt, das neben all diesem Muell auch der Kot der Kuehe, Hunde, Katzen, Ziegen etc. mit im Flutwasser schwimmen. Allerdings macht sich hier kaum jemand Gedanken, welche unangenehmen Folgen dies fuer die Gesundheit haben koennte.
Auch vielen Tieren wurde es zu nass. An den Hauswaenden krochen Armadas von Schnecken empor, Kuehe suchten nach trockenen Flaechen und selbst Kroeten haben sich notgedrungen als Kletterer versucht.
Diesmal hatte Putussibau noch Glueck, dass die Flut nur einen Tag anhielt und schon zwei Tage nach dem Spitzenpegel alles wieder beim Alten war. Allerdings stellt sich die Frage, ob sich nicht solche Ereignisse in der Zukunft haeufen werden. Zum einen durch den Klimawandel, zum anderen aber auch durch die aktuellen Planungen der Regierung. Grosse Flaechen im Oberlauf der drei grossen Flusse sind fuer die Umwandlung in “Nichtwaldgebiete” (Plantagen, Felder, etc…) vorgesehen, Holzeinschlagskonzessionen wurden gegen den Wiederstand der lokalen Bevoelkerung vergeben, es wird versucht, den Nationalpark Betung Kerihun in dieser Region zu verkleinern, man laesst die illegalen Goldschuerfer und Holzfaeller gewaehren und es ist sogar der Bau einer Strasse nach Ostkalimantan durch diese Region im Gespraech.